
Neugierig auf Wissenschaft
Das Wasser vor der Insel Panarea in Süditalien kocht zwar nicht, aber es sprudelt. Dort, in direkter Nachbarschaft zu Europas aktivstem Vulkan, dem Stromboli, strömen ganz natürlicherweise große Mengen Kohlendioxid aus dem Meeresboden. Und gerade das macht die Gegend für Forscher unterschiedlichster Disziplinen sehr interessant. Denn Kohlendioxid (CO2) ist eines der wichtigsten Treibhausgase. Seit Beginn der Industrialisierung ist sein Anteil in der Erdatmosphäre ständig gestiegen, vor allem durch die intensive Nutzung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Bei allen Bemühungen, die Erderwärmung zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen, spielt daher auch die Reduktion des CO2 in der Atmosphäre eine wichtige Rolle. Diskutiert wird dabei auch eine technische Möglichkeit: Beim „Carbon Dioxide Capture and Storage“, kurz CCS, soll das CO2 aufgefangen beziehungsweise aus der Luft abgetrennt und in unterirdischen Lagerstätten gespeichert werden. Als Kohlendioxid-Lager sollen dabei auch Bereiche unter dem Meeresgrund genutzt werden. In einigen Gegenden Europas ist dies bereits Realität, zum Beispiel vor der Küste Norwegens. Doch was passiert, falls CO2 aus solchen Lagerstätten wieder entweicht? Welchen Einfluss haben hohe CO2-Konzentrationen auf das umgebende Ökosystem und die Lebewesen im Meer? Genau diesen Fragen gehen die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie im Meer vor Panarea auf den Grund. Hier können sie Meeresbereiche mit starkem Kohlendioxid-Austritt direkt mit solchen ohne Ausgasungen vergleichen.

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Hightech in endlosen Weiten
Es scheint, als reiche seine Spitze bis zu den Sternen. Ganz so hoch hinaus geht es nicht, doch ein Projekt der Superlative ist das Amazonian Tall Tower Observatory, kurz ATTO, auf jeden Fall: 15000 Einzelteile, 24000 Schrauben und Bolzen, ein Gesamtgewicht von 142 Tonnen auf einer Grundfläche von 3 mal 3 Metern, das Ganze abgespannt mit insgesamt 26 Kilometern Stahlseil. Und mit 325 Metern höher als der Eiffelturm. Innerhalb nur eines Jahres wurde die Konstruktion 150 Kilometer nordöstlich von Manaus mitten im unwegsamen Amazonas-Regenwald errichtet.
Doch was ATTO so besonders macht ist nicht allein seine Höhe. Wichtig ist das Ökosystem, das den Turm umgibt: Ähnlich wie sein Pendant ZOTTO, der 304 Meter hohe Messturm in der sibirischen Taiga, liegt auch ATTO fernab zivilisatorischer Einflüsse. Die Wissenschaftler dürfen daher mit weitgehend unverfälschten Daten zum Klimageschehen in der Atmosphäre über dem größten zusammenhängenden Waldareal der Erde rechnen.
Die Messgeräte sammeln stetig Daten über Treibhausgase, Aerosolpartikel, Wolkeneigenschaften, Grenzschichtprozesse und den Transport von Luftmassen. Besonders interessieren sich die Forscher für die Wechselwirkungen zwischen dem Urwald und den über ihn hinwegziehenden Luftmassen. Denn das Amazonas-Gebiet hat weltweite Bedeutung für das Klima. Und bisher ist nur unzureichend bekannt, welche Rolle der Urwald bei der Bildung von Aerosolpartikeln und somit bei der Wolkenbildung spielt.
Partner im deutsch-brasilianischen Gemeinschaftsprojekt ATTO sind das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und das Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Die Messergebnisse fließen ein in aktuelle Modelle zur Vorhersage der Klimaentwicklung und werden künftig auch der Politik helfen, umweltpolitische Regelungen und globale Klimaziele weiterzuentwickeln.

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In 5100 Meter Höhe über dem Meeresspiegel ist die Luft dünn und staubtrocken – Eigenschaften, die Astronomen außerordentlich schätzen. Dort oben stört der dichte Luftozean der Erdatmosphäre mit seinem ansonsten beträchtlichen Wassergehalt die Beobachtungen nur mehr wenig. So kommen die Forscher den Sternen in der Ödnis deutlich näher. Daher haben sie auf der Hochebene Chajnantor in den chilenischen Anden eine Antenne gebaut, die den Namen Atacama Pathfinder Experiment trägt, abgekürzt APEX. Die 12-MeterSchüssel empfängt Strahlung im Millimeter und Submillimeterbereich an der Grenze zwischen Infrarotlicht und Radiowellen. Das Herzstück des Teleskops ist eine Kamera, die mit rund 25.000 Pixeln konkurrenzlos empfindliche Durchmusterungen des Himmels ermöglichen soll. 25.000 Pixel ist immer noch wenig im Vergleich zu einer Kamera, wie sie etwa in einem Smartphone steckt. Doch die Detektoren arbeiten bei einer Temperatur von minus 272,85 Grad, also knapp über dem absoluten Nullpunkt. Das Gesichtsfeld der Kamera entspricht der halben scheinbaren Größe des Vollmonds. Apropos Mond: Das Einsatzgebiet von APEX erstreckt sich weit über das Sonnensystem hinaus. Das Teleskop erkundet vorwiegend kühle Regionen, vor allem Molekülwolken im interstellaren Raum. In diesen kosmischen Kreißsälen werden aus Gas und Staub neue Sterne geboren; diese stellaren Embryos sind im optischen Licht meist unsichtbar, mit APEX hingegen lassen sich die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Wolken gut untersuchen. Die APEXPartner sind das MaxPlanckInstitut für Radioastronomie (MPIfR), das schwedische Onsala Space Observatory (OSO) und die Europäische Südsternwarte (ESO), die das Teleskop im Auftrag des Konsortiums betreibt. Kürzlich wurde die Fortsetzung der Zusammenarbeit bis Ende 2022 beschlossen. So wird die Schüssel auf der chilenischen Hochebene auch in den nächsten Jahren tiefe Einblicke in den kalten Kosmos liefern.
Foto: ESO / B. Tafresh

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Für immer sprachlos?
Weltweit werden derzeit etwa 7000 Sprachen gesprochen. Nicht wenige davon sind akut bedroht: Sie werden nur noch von einem kleinen Personenkreis gesprochen und nicht mehr an nachfolgende Generationen weitergegeben. Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass am Ende des 21. Jahrhunderts noch höchstens ein Drittel – vielleicht aber auch nur noch ein Zehntel – der heute gesprochenen Sprachen existieren werden. Der Wert, den Menschen ihrer eigenen Sprache beimessen, hängt stark von sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ab. Besonders bedroht sind Sprachen von Bevölkerungsgruppen, die eine nur geringe soziale Reputation besitzen. Doch was noch schlimmer ist: Mit jeder sterbenden Sprache gehen auch kulturelle und intellektuelle Eigenheiten verloren.
Um gefährdete Sprachen und Dialekte zumindest zu dokumentieren und für die Nachwelt – und auch für künftige Forscher – zu erhalten, wurde im Jahr 2000 das DOBES-Programm ins Leben gerufen. Im Rahmen des Projekts forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik in vielen Gebieten auf der ganzen Welt. Im Norden Namibias etwa gilt ihr Interesse der Khoisan-Sprache ǂAkhoe Haiǀǀom, die viele Klick-Laute beinhaltet. Diese werden in der Standardorthografie durch die Zeichen !, ǀ, ǀǀ und ǂ dargestellt. Zur Vorbereitung eines Workshops über Minderheitensprachen im südlichen Afrika führt eine lokale Mitarbeiterin des Projekts, die Lehrerin Mariane Kheimses, ein Interview mit Abakup ǀǀGamǀǀgaeb über seine Ansichten und Einstellungen zu seiner Muttersprache. Die Mitglieder der Gemeinschaft konnten sich nämlich nicht vorstellen, bei der Tagung nur einen einzigen Repräsentanten für alle sprechen zu lassen. Daher wurde beim Workshop statt eines Vortrags eine Reihe von Videointerviews gezeigt. So waren alle möglichen Meinungen vertreten.

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Auf der Rennbahn
Im größten Teil des Weltalls ist es extrem kalt und leer. Trotzdem laufen auch dort chemische Reaktionen ab. Es bilden sich Ionen, kleine und große Moleküle, interstellarer Staub. In solchen Staubwolken wiederum entstehen Sterne und Planeten. Die Chemie des interstellaren Raums ist daher eines der aktivsten Forschungsfelder der Astronomie.
Mit dem neuen ultrakalten Speicherring (CSR) holen die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kernphysik den Weltraum ins Labor. Der dazu erforderliche technische Aufwand ist allerdings fast ebenso extrem wie die Verhältnisse im All: Die Temperatur im inneren Vakuumsystem des CSR liegt einige Grad über dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius, der Druck von unter 10-14 Millibar ist um das Hundert-Billiarden-Fache geringer als der normale Luftdruck. So ist es möglich, selbst hoch reaktive, mehrfach geladene Molekülionen viele Minuten – teilweise Stunden – auf der 35 Meter langen Umlaufbahn des Speicherrings zu halten. Während sie mit hoher Geschwindigkeit kreisen und dabei Strecken zurücklegen, die der mehrfachen Distanz zwischen Erde und Mond entsprechen, kühlen die Ionen auf Temperaturen ab, die jenen in interstellaren Wolken gleichen.
Gelenkt und fokussiert werden die Ionenstrahlen durch elektrische Felder. Mit deren Hilfe können die Forscher die gespeicherten Ionen mit Elektronen oder neutralen Atomen zur Reaktion bringen oder mit Laserstrahlen untersuchen. So lassen sich niederenergetische Kollisionen, wie sie für die Bedingungen im interstellaren Raum typisch sind, im Labor kontrolliert nachstellen.
Ähnlich wie ein Mensch, der sich mit übereinander getragener Kleidung gegen Kälte schützt, ist der Tieftemperaturbereich des Speicherrings durch mehrere Abschirmschichten gegen die Umgebungswärme isoliert. Das Abkühlen der Apparatur und das Aufwärmen nach mehreren Monaten Messbetrieb dauern jeweils gut drei Wochen. Das Foto zeigt den noch offenen Speicherring vier Monate vor dem ersten Abkühlen.
Foto: MPI für Kernphysik / Christian Föhr

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Das Labor im großen See
Sonne, Wasser, blauer Himmel und im Hintergrund ein Schloss – viele Menschen verbinden mit den Plöner Seen unbeschwerte Urlaubstage im Norden Deutschlands. Auch die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie haben den Blick für die Schönheit der Landschaft sicher nicht verloren, doch ihr Interesse gilt vor allem einem der Seebewohner und seinen Genen. Der Dreistachelige Stichling (Gasterosteus aculeatus) fühlt sich besonders wohl im Uferbereich des Großen Plöner Sees. Und genau dort, mitten im natürlichen Brutrevier des kleinen Fisches, stehen die Freiwasserlabore des Instituts.
In sechs großen Käfigen können die Stichlinge – im Labor gezüchtet und im Frühjahr eingesetzt – unter natürlichen Bedingungen Reviere erobern, Nester bauen und sich fortpflanzen. Wobei sie auch den dort vorkommenden Parasiten ausgesetzt sind. Das Besondere an den Fischlein: Die spezifische, individuelle Kombination der Immungene jedes einzelnen Tieres ist bekannt. So können die Forscher beobachten, welche Stichlinge im stetigen Wettlauf mit den verschiedenen Parasiten am widerstandsfähigsten sind und – da während der gesamten Brutsaison für jedes Ei mithilfe molekulargenetischer Methoden Vater und Mutter bestimmt werden – wie viele Nachkommen welcher Fisch hat.
Die resistentesten Fische geben ihre Immunkompetenz an ihre vielen Nachkommen weiter. Dabei bevorzugen Stichlingsweibchen offenbar Paarungspartner, deren Immungene ihre eigene Ausstattung am besten ergänzen – und die zudem durch ihre gesunde Prachtfärbung zeigen, dass sie über die gegen die aktuell vorherrschenden Parasiten benötigten Genvarianten verfügen. Die Partnerwahl der Mutter hat also einen direkten Vorteil für die Nachkommen.
Welches Männchen für eine Paarung infrage kommt, erkennen die Weibchen neben der Prachtfärbung am Geruch des potenziellen Partners. Denn der Geruch wird – wie übrigens auch bei uns Menschen – durch die Zusammensetzung der Immungene bestimmt.
Foto: MPI für Evolutionsbiologie

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Glanzlicht unterm Sternenzelt
Die Erde ist einem ständigen Bombardement ausgesetzt. Andauernd geht irgendwo in den Weiten des Weltalls ein Stern hoch oder katapultiert ein schwarzes Loch gigantische Gaswolken aus dem Herzen einer fernen Milchstraße. Von diesen martialischen Ereignissen künden Gammastrahlen, die geradewegs durch das Universum laufen und schließlich auf die Erdatmosphäre treffen. Dort ist erst mal Endstation – zum Glück für das Leben, denn die Energiedosis wäre auf Dauer tödlich. Aber das Gammalicht löst sich keineswegs in Nichts auf – zum Glück für die Astronomen, denn so können sie die kosmischen Botschafter untersuchen. Die Strahlung vergeht nicht spurlos, sondern in einer Partikelkaskade hoch über dem Boden. Dabei entstehen jede Menge Elementarteilchen. Sie erzeugen Tscherenkow-Licht – blaue Blitze, die lediglich eine milliardstel Sekunde dauern und dem Auge verborgen bleiben. Um dieses himmlische Leuchten aufzuzeichnen, haben Forscher vor ein paar Jahren die vier H.E.S.S.-Teleskope im namibischen Khomas-Hochland gebaut – und das Quartett nun in ein Quintett verwandelt. H.E.S.S. II heißt die neue Schüssel, die sich auf unserem Bild im Mondschein als stählerne Pyramide in den Nachthimmel reckt. Mit einem Durchmesser von 28 Metern entspricht ihre Fläche der von zwei Tennisplätzen. Nicht weniger als 580 Tonnen wiegt der Koloss, allein drei Tonnen sein Kameraauge. Die fünf Späher des High Energy Stereoscopic System zeichnen die blauen Blitze nach allen Regeln der astronomischen Beobachtungskunst auf. Die Spurensicherung in den Daten führt dann gleichsam zum Tatort, zur Quelle der Strahlung. Als Detektive betätigen sich auch die Astronomen am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik, das maßgeblich an Entwicklung und Design von H.E.S.S. II beteiligt war und die Aufbauarbeiten koordiniert hat. So werden wir die kosmischen Teilchenschleudern wie Supernovae oder schwarze Löcher bald noch besser verstehen.

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Voller Bewegung
Rauf, runter, oben, unten, vorne, hinten – mit sieben unabhängig voneinander ansteuerbaren Drehgelenken, einer um 360 Grad drehbaren und simultan in sechs verschiedene Richtungen steuerbaren Kabine sowie der zwölf Meter langen Linearachse bietet der CyberMotion Simulator (CMS) in Tübingen nahezu unendliche Möglichkeiten der Bewegungssimulation. Und auch wenn sich der Gedanke hier aufdrängt: Dieses weltweit einzigartige Instrument dient nicht der Entwicklung der neuesten Attraktion für das Münchner Oktoberfest. Vielmehr untersuchen die Forscher um Heinrich Bülthoff am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik damit das komplexe Zusammenspiel von Seh- und Gleichgewichtssinn im menschlichen Gehirn.
Der auf der Basis eines industriellen Roboterarms konstruierte CMS kann Versuchspersonen in fast jede denkbare Position befördern. Der Mensch in der Kabine kann dabei passiv entlang vordefinierter Bahnen geführt werden oder auch mittels eines Lenkrads oder Steuerknüppels die Bewegung selbst bestimmen. Selbst Helikopterflüge können nachgestellt werden. Das große, hochauflösende Display an der Innenwand der Kabine bietet die dazu passende virtuelle Realität.
Oder eben gerade nicht! Besonders interessant für die Wissenschaftler ist nämlich die Möglichkeit, die verschiedenen Sinnesorgane, die bei der Orientierung im Raum eine Rolle spielen, getrennt voneinander zu stimulieren. So können sie zum Beispiel den Schwindelgefühlen auf den Grund gehen, die nicht selten auftreten, wenn Menschen sich in virtuellen Räumen bewegen – etwa bei Computerspielen mit VR-Brille. Auch für die Entwicklung autonomer Fahrzeuge ist dies von großer Bedeutung. Spätestens wenn die Passagiere dem selbstfahrenden Auto so sehr vertrauen, dass sie sich auf der Fahrt mit völlig anderen Dingen beschäftigen, stimmen auch hier die körperliche Selbstwahrnehmung und die Informationen, die die Augen an den visuellen Cortex im Gehirn liefern, nicht überein. Und darauf reagieren manche Menschen mit Übelkeit.
Foto: Berthold Steinhilber/MPI für biologische Kybernetik